CS:GO ist ein extrem kompetitives Spiel. Das gilt aus offensichtlichen Gründen besonders für die Profiszene. Im kompetitiven Amateurumfeld werden nur diejenigen Profis, die es wirklich, wirklich, wirklich wollen – und drauf haben. Das kann manchmal auch dazu führen, dass Grenzen überschritten werden, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Dieses Phänomen nennen wir Cheaten und ist leider bei den meisten kompetitiven Spielen von Beginn an ein Problem. Im September 2020 verursachte ein solcher Betrug aber einen wahren CS:GO-Skandal.
Die CS:GO-Coaching-Banns erschütterten die CS:GO-Szene, wie niemals zuvor. Die Coronavirus-Situation überlagerte lange Zeit alle anderen Probleme innerhalb der Szene, bis plötzlich dutzende von Coaches gebannt wurden, von denen einige hochdekoriert und respektiert sind. Sie alle wurden von der Esports Integrity Commission (ESIC) wegen Betrugs gesperrt.
- WEITERLESEN: 37 CS:GO Coaches wegen Spectator Bug gebannt!
Wie und warum das geschah? War es fair und/oder vorteilhaft für die professionelle CS:GO-Szene? Wir versuchen, all diese Fragen in den folgenden Absätzen zu beantworten.
I am going to make a lot of Brazilian fans hate me even more with this tweet, but... take a look yourself.ECS Season 7 Week 2 against Complexity (abused it whole map). He was also bugged in a match day earlier (vs. LG) and decided to reconnect to get it fixed. FACEIT informed. pic.twitter.com/Ha35uROavI
— Michal Slowinski (@michau9_) September 2, 2020
Der Betrug
Bevor wir zur Bestrafung kommen, müssen wir uns zunächst mit dem Vergehen vertraut machen. Das ganze Fiasko wurde durch einen Spectator Bug (einen Fehler im Zuschauermodus) in der CS:GO-Engine ausgelöst. Er ermöglichte es dem Zuschauer, Teile der Map in Echtzeit zu sehen, was wichtige Informationen über die Bewegung des Feindes lieferte. Natürlich sollten solche Informationen dem Trainer einer Mannschaft nicht zur Verfügung stehen. Das Merkwürdige daran ist, dass dieser Fehler schon seit Jahren im Spiel war, bevor er in diesem Sommer die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregte.
ESIC announces sanctions against 37 individuals in relation to the exploitation of the Spectator Bug. Only 20% of available data (99,650 demos) has been examined. ESIC to issue one final report at the end of October to close the investigation. pic.twitter.com/tyduJkVvxo
— ESIC (@ESIC_Official) September 28, 2020
Die Banns
Als immer mehr Namen von Trainern mit dem Bug-Exploit in Verbindung gebracht wurden, nahm die ESIC ihre Ermittlungen auf. Bis hierhin noch nichts Ungewöhnliches. Der Schock kam, als die Kommission ihre Ergebnisse vorlegte. Insgesamt 37 CS:GO-Coaches, von denen einige wahre Legenden in der Szene sind, erhielten für ihren Betrug Sperren von bis zu drei Jahren.
Einige der Betroffenen nahmen die Sperre einfach hin, während andere Berufung einlegten. Der Trainer des GUS-Teams forZe, Sergey "lmbt" Bezhanov, hatte sogar Erfolg mit seiner Berufung – das ist bisher aber der einzige solche Fall. Die Frage, die sich uns allen stellt, ist, wie es überhaupt dazu kommen konnte und ob die Coaches die Bestrafung wirklich verdient haben. Jetzt, da wir alle Fakten abgeklärt haben, können wir uns in die Diskussion vertiefen.
Well Im officially unbanned by @ESIC_Official with an immediate effect! So starting from next RMR Match Ill be able to be with my team again @forzegg It was super hard month for me and my team and obv I lost a lot of nerves, but now my name is clean and Im happy with that! pic.twitter.com/KHCAI5qdRY
— Sergey LMBT Bezhanov (@LMBT_CSGO) October 15, 2020
Ist die Strafe angemessen?
Zur Klarstellung: Nicht alle Coaches erhielten die gleiche Strafe. Die Sperren reichen von 3,5 Monaten bis zu drei Jahren und tatsächlich hat nur ein Coach – Aleksandr "zoneR" Bogatiryev – mehr als zwei Jahre bekommen. Es gibt aber immer noch viele Betroffene, die sich in ihrer Karriere gehörigen Respekt verdient haben und jetzt für ein halbes Jahr oder länger gesperrt wurden, was sie auch einiges an Respekt einbüßen ließ.
Wir glauben aber, dass das Ausmaß der Strafe in den meisten Fällen nicht wirklich zum Ausmaß des Verbrechens passt. Cheaten ist mit Sicherheit eines der schlimmsten Vergehen im Esports und natürlich ist das Ausnutzen des Spectator Bugs genau das. Viele der Betroffenen wiesen jedoch darauf hin, dass man einen Fehler wie diesen vermutlich nur in bedeutungslosen Online-Spielen ausnutzen würde und in den meisten der Fällen war es genauso: ein oder zwei Vorfälle in eher unwichtigen Low-Tier-Matches.
Das lustigste Beispiel von allen ist das von FURIA-Trainer Nicholas "guerri" Nogueira, der beschuldigt wurde, den Bug zweimal ausgenutzt zu haben, wobei sein Team in einem dieser Fälle das Match verlor. Natürlich gewinnt nicht jeder Cheater jedes Spiel, es ist aber schon erstaunlich wie ein Profi-Team, das die Positionen ihrer Gegner genau kennt, trotzdem das Match verlieren kann. Guerri wurde für sein Vergehen vier Monate gesperrt.
Das andere Argument gegen die etwas übertriebenen Sperren ist, dass der ganze Betrug überhaupt erst durch einen Fehler im Spiel ermöglicht wurde! Ein Fehler, von dem inzwischen mehrere Personen bestätigt haben, dass er schon seit Jahren existiert und Valve nichts getan hat, um ihn zu beheben. Vor dem Hintergrund ist es fast schon ein Wunder, dass nicht jedes Spiel zu einem Wettkampf wurde, welches Team die Fehler besser ausnutzen kann. Hätte Valve das Spiel etwas besser beobachtet und sich darum gekümmert, wäre der Spectator Bug vermutlich niemals zu einem Problem geworden. Der Fehler wurde im Laufe der Jahre immerhin mehrfach gemeldet.
Wir wollen damit nicht sagen, dass die ESIC den Trainern auf die Schulter klopfen sollte, weil sie nur ein wenig betrogen haben, anstatt gleich Aimbots zu installieren, aber die aktuelle Hexenjagd ist unserer Meinung nach ein Overkill. Einige der Schuldigen haben vermutlich etwas übertrieben und haben ihre Sperren verdient, aber was ist mit Coaches wie Imbt oder guerri? Was ist mit Robert "RobbaN" Dahlström, der berichtete, er sei ein paar Mal im Bug festgehangen, habe ihn niemals ausgenutzt und ihn jedes Mal sofort gemeldet? Er wurde jetzt trotzdem für 5,5 Monate gesperrt...
- WEITERLESEN: CS:GO: Interessenkonflikt oder potentieller Betrug?
Das schiere Ausmaß und die Härte der Strafen scheinen ein Versuch zu seien Cheatern eine Nachricht zu senden: "Versucht es lieber erst gar nicht, ansonsten passiert das!" In Wirklichkeit wirft es aber ein extrem schlechtes Licht auf die gesamte Profi-Szene, nimmt mehrere der besten Coaches aus dem Spiel (viele der Trainer mit längeren Sperren wurden von ihren Teams sofort entlassen) und erzeugt unnötige Spannungen in Zeiten, in denen wir genau das Gegenteil brauchen.
Es wird erwartet, dass der abschließende ESIC-Bericht zu diesem Thema in den nächsten Tagen veröffentlicht wird und einen Schlussstrich unter diesen Skandal ziehen wird. Ausgehend von den eigenen Worten der ESIC zu diesem Bericht können wir wohl nicht damit rechnen, dass sie die ausgesprochenen Sperren zurücknehmen oder abschwächen werden. Die CS:GO-Coaching-Banns werden aller Wahrscheinlichkeit nach genauso bleiben, was uns zurücklässt mit einigen bestraften Cheatern, vielen Bestraften, die eigentlich nichts falsch gemacht haben und einer deutlich geschwächten CS:GO-Profi-Szene.
Alle weiteren News und Updates zu CS:GO, wie zum Beispiel unseren SMG Waffen Guide, findet ihr auf EarlyGame.
Originaltext von EarlyGame-Autor Kiril Stoilov.