Füher habe ich Basketball auf halbwegs hohem Niveau gespielt, konnte allerdings nie behaupten, dass Basketball meine erste Liebe war: Ich habe erst mit 12 angefangen - sieben Jahre, nachdem ich meine wahre erste Liebe kennengelernt hatte: Ein schwarzer Game Boy.
Damals war ich gerade mal 5 Jahre alt und wurde offiziell zum Gamer. Da ich jedoch ein überdurchschnittlich großer Mensch afroamerikanischer Abstammung bin, konnte ich mich dem Klischee des Basketballspielers nicht entziehen. So kam es, dass ich schließlich zum Training erschien, vorpubertär, ohne jegliche Sprungkraft oder sonstige Fähigkeiten aber Hauptsache eingedeckt in Trikot, Stirnband und mehr Schweißbändern als ein Zwölfjähriger jemals brauchen würde. Ich dachte, ich sah aus wie ein Baller, tat es aber nicht. Ich dachte, ich spielte wie ein Baller, tat aber auch das nicht. Ich war nicht nur nicht gut – ich war schrecklich.
So schrecklich, dass ich während ich im Training echten Basketball spielte, daran dachte, wie ich später zu Hause NBA Live 2001 auf meiner PlayStation zocken werde. Denn das digitale Reich war mein Reich. Damals gab es noch kein Internet, aber ich fertigte den Computer auf höchstem Schwierigkeitsgrad genauso ab wie meine Freunde, die grundsätzlich den schlechteren Controller bekommen haben. Lange blieb die Art von Erfolg auf dem echten Platz aus, aber schließlich bin ich dann doch in meinen Körper gewachsen und konnte ein paar Titel abstauben. Es ist zwar cool, dass ich jetzt Medaillen und Erinnerungen vorzuweisen habe, aber ich habe auch einen dauerhaft verletzten Rücken, eine Schraube im Knöchel und bin mit 29 Jahren nur noch eine Knieverletzung von einer schweren Knie OP entfernt. Nicht so cool und NBA Live hat das sicher nicht verursacht – der physische Aspekt des Sports hat Schuld.
Mittlerweile habe ich längst aufgehört, Basketball zu spielen. Mein Körper hatte ja schon länger keinen Bock mehr gehabt und wenn man nach ein paar halbherzigen Rehas zurückkommt und mit 25 von 17-Jährigen abgezogen wird, dann hat der Geist auch keinen Bock mehr. Unnötig. Also habe ich mir das Zeitalter des Hochgeschwindigkeits-Internets zunutze gemacht und mein digitales Reich erweitert, um online von 17-Jährigen abgezogen zu werden.
Ich würde nicht behaupten, dass ich auf irgendeinem hohen Leistungsniveau zocke, aber es steht jede Absicht hinter meiner minderwertigen Leistung, und meiner niveaulosen Rage, wenn ich in Street Fighter vermöbelt werde. Ich bin auch ein engagierter Fan, wenn ich mir die LEC-Playoffs oder Valorant-Turniere ansehe und nehme das genauso ernst, wie wenn ich echten Sport schaue. Geht es um Leben oder Tod? Nein. Aber alles, dem ich einen größeren Teil meines Lebens widme, verdient es, ernst genommen zu werden - das hat zumindest meine Ex gesagt, bevor wir uns getrennt haben...
Sport oder Esport, ich sehe keinen Unterschied, aber die Mehrheit der Menschen tut es doch: Obwohl "echte" Sportler regelrechte Grenzgötter sind, sind die meisten Menschen immer noch überrascht, wenn nicht gar schockiert, wenn sie hören, dass jemand mit Videospielen Millionen verdient.
Aber, ich muss an dieser Stelle zugeben: Ich schreibe das gerade während ich auf ein Kobe-Shirt an meiner Wand starre. Ja, die schwarze Mamba schmückt mein Wohnzimmer. Für alle die sich nicht mit Basketball auskennen, klingt "die schwarze Mamba" wahrscheinlich wie der Spitzname eines Darstellers gewisser Filmchen, aber Kobe Bryant hat in der NBA einen Legenden-Status. Leider ist er bei einem Hubschrauberabsturz am 26. Januar auf tragische Weise ums Leben gekommen. Seitdem hängt das Kobe Shirt statt im Kleiderschrank jetzt als Denkmal an meiner Wohnzimmerwand und das wundert auch niemanden der mich besucht. Sollte dort allerdings ein Shirt von Faker, Doublelift, Olofmeister oder shroud hängen, wäre das sicherlich anders.
Der durchschnittliche Sportfan ist oft so weit von jeglicher Ausübung der Sportarten entfernt, die er sich ansieht, dass der Sport auch genauso gut digital und nicht real sein könnte. Aber viele nehmen Gaming aus dem Grund nicht ernst, weil es digital und nicht real ist. Weil es nur ein Kinderspiel ist - man nimmt einen Controller in die Hand und zockt. Könnte jeder, jederzeit… ist nur eine Frage des Übens, wann man welchen Knopf drückt. Dazu sage ich: Alle Ballsportarten sind buchstäblich Kinderspiele. Und: Man kann auch jederzeit einfach einen Basketball nehmen und dribbeln, einen Football werfen oder den Namensvetter Fußball kicken. Die Eintrittsbarriere ist die gleiche. Nur weil das eine in den Kinderzimmern und das andere auf den Spielplätzen begonnen hat, macht das keinen großen Unterschied: Denn für den Durchschnittsbürger sind getroffene 10 Dreier in Folge im Basketball genauso unmöglich wie 10 Headshots in Folge in einem Shooter. Der Fleiß um so gut zu werden, ist derselbe. Die Disziplin, um sein Handwerk zu verfeinern ist dieselbe, das Handwerk verlangt nur je unterschiedliche Aspekte des Geistes und Körpers.
Der ehemalige NBA Spieler, und mehrfacher Meister Rick Fox kaufte vor ein paar Jahren ein Esports Team. Fox war als NBA-Spieler sehr erfolgreich, deshalb sei es ihm mal gestattet, sein Esports Team nach sich selbst zu benennen: Echo Fox. Innerhalb von Echo Fox verlangte Rick Fox dieselbe Disziplin, die er einst als NBA-Profi hatte:
- Nicht mehr um 11 Uhr aufstehen
- Keine random Testspiele mehr bei denen Taktiken verraten werden
- Kein ungesundes Essen und Snacken mehr
- Nicht mehr spät ins Bett gehen
- Deutlich mehr körperlich betätigen und mehr auf die Fitness achten
Die Praktiken von Rick Fox sind inzwischen zum Esports-Industriestandard geworden. Er und jeder, der sich im E-Sport auskennt, weiß: eAthleten leisten harte Arbeit. Professionelle Arbeit auf dem Niveau von professionellen Athleten. Wer diesen Fleiß im Sport respektiert, der sollte das bei eAthleten genauso. Wenn wir jetzt eine Diskussion über die Löhne und Bewunderung für Sport im Allgemeinen führen, dann ist das ein ganz anderes Thema, aber all das was viele von uns an Sport bewundern - der Wettbewerbsgeist, der Fleiß und die Disziplin... das alles ist im Esports auch vorhanden.
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Wenn ich in der heutigen Zeit aufwachsen würde, würde ich sofort Esports dem traditionellen Sport vorziehen. Ich spare mir gerne die Operationen und die insgesamt 10 Monate, die ich auf Krücken verbracht habe und die anhaltenden Schmerzen, die ich für immer mit mir herumschleppen werde. Außerdem habe ich Basketball sowieso viel zu spät gelernt. Wenn meine Geschichte über den Esports geschrieben würde, wäre ich endlich dieser Typ: “Mit nur fünf Jahren war sein Weg zur Unsterblichkeit im Esports vorbestimmt, als er zum ersten mal seinen schwarzen Game Boy in die Hand nahm."