Ich hasse Remakes und ich liebe sie. Ich hasse es, wie sehr ich sie liebe, und ich denke, Ne-Yo und Rihanna sollten mehr Features machen - aber ich will nicht direkt in Referenzen aus dem Jahr 2008 verfallen, die auf Deutsch keinen Sinn machen.
Wir als Gesellschaft lieben ‘Remakes’: Wir wollen das Alte ungern loslassen, schwelgen in ausgeschmückten Erinnerungen und wollen immer, dass das Neue das Vertraute widerspiegelt. Als ich jung war, war Wrestling groß, und Hulk Hogan war kurz vor seinem Abgang. Aber es gab einen neuen Star im Ring, nämlich Dwayne Johnson - damals einfach nur als The Rock bekannt. Bevor The Rock zu einer der größten Sportfiguren seiner Zeit wurde, war er aber nicht nur The Rock - zunächst war er "der nächste Hulk Hogan": Ein Remake eines Klassikers.
Es gibt zu allem ein ‘das/die/der Nächste’: ‘Das nächste Dark Souls’ zum Beispiel, denn wir wollen nichts Neues, sondern Großes nochmal erleben. Das zeigt sich auch in 'Der nächste MJ' - sowohl Jordan als auch Jackson - und 'Der nächste Weltkrieg' - denn nur so werde ich jemals verstehen, wie wir diesen Psychopathen ins Weiße Haus gelassen haben. Oh ja… heute wird wieder schön geschnackt.
Es hat ja gar kein Ende mehr: Frauen bekommen Remakes, um wieder wie ihr junges Selbst auszusehen und Männer steigen in peinliche Midlife-Crisis-Remake-Zeitkapseln und tragen Perücken um die Vergangenheit nochmal aufleben zu lassen. Das Verweilen in glorreichen Erinnerungen war schon immer Teil der menschlichen Natur, und das ist eine schöne Sache - schließlich ist das Leben eine Einbahnstraße, und wenn der Körper erst einmal verwelkt und Justin Bieber der nächste Präsident ist, werden Erinnerungen an früheren Ruhm alles sein, was uns bleibt.
Gaming bringt das allerdings auf die nächste Stufe: Hier wird nicht nur renoviert und neu innoviert, hier wird wortwörtlich und auf gut Denglisch gesagt, geremaked: Alte Spiele werden mit neuer Grafik und überarbeitetem Gameplay als ‘neu’ rausgebracht. So definiert sich ein Remake grundsätzlich, nur gibt es da noch feine Nuancen mit dem Remaster, Reboot, Reimagining und dem Re-was-auch-immer, womit ich mich nicht befassen werde, da ich ein Leben habe und wir sowieso ein Video dafür haben:
Videospiele sind ein sehr vergängliches Medium. Ein Spiel, das sich wie das Tollste überhaupt gespielt hat, kann nur ein Jahrzehnt später - wenn nicht schon früher - praktisch unspielbar sein. Vor allem in den 90er und frühen 2000er Jahren waren die grafischen Fortschritte so groß, dass keine Nostalgie vor dem gefürchteten Replay sicher war.
Große Videospiele berauschen uns, wenn sie veröffentlicht werden, aber das verblasst in einer Weise, mit der andere Medien nicht zurechtkommen müssen: Bücher sind mehr oder weniger zeitlos, und je nach Genre und den VFX-Bedürfnissen sind es auch Filme. Daher ist es nur sinnvoll, Spiele neu zu veröffentlichen. Nur weil ein Spiel nicht gut altert und unspielbar wird, heißt das nicht, dass die Konzepte oder die Story nicht großartig bleiben. Warum so vielen Menschen die Erfahrung vorenthalten, wenn man sie mit einem Remake in das neue Zeitalter bringen kann?
Nun ist das Problem natürlich, dass man diese einstige Großartigkeit nicht unbedingt wiederherstellen kann. Damit ein Spiel eben großartig ist, ist die Zeit, in der es veröffentlicht wird - die Kultur, der Stand der Industrie, die etablierten Standards seiner Zeit - ein entscheidender Faktor. Bei Remakes kann man das nicht reproduzieren, weil man eine Innovation, die inzwischen zum Industriestandard geworden ist, nur wieder aufwärmt. Deshalb hört man in Musik, Film und Sport immer wieder den Satz
"...für seine Zeit war es revolutionär... bahnbrechend."
Man kann das Rad nur einmal erfinden und der Held dafür sein. Wenn ich jetzt die Straße entlang schlendere und mein neueres, glänzenderes, verbessertes Rad proklamiere und damit prahle, wie es rollen kann und... na ja, einfach rollen kann, wird es niemanden interessieren. Aber wenn jemand noch nie ein Rad gesehen hat, dann ist nicht nur begeistert, sondern, ähm, super-begeistert.
So denke ich über Remakes: Wenn man das Spiel noch nie zuvor erleben konnte, ist ein Remake begeistern. Super-begeisternd. Ich habe noch nie Resident Evil 2 oder Resident Evil 3 gespielt. Meine Bettwäsche hat es damals einfach nicht so gut vertragen, dass ich Alpträume hatte. Jetzt, Jahrzehnte später, kann ich beide Resident Evil Klassiker als Erwachsener mit tadelloser Blasenkontrolle nachspielen. Wenn das Remake nicht gewesen wäre, hätte ich sie verpasst. Ich hätte mir die 99er Version mit mittelalterlicher Grafik und Steuerung niemals angetan. Die Remakes lösen das Problem.
Oder nehmen wir Spiele, bei denen es nur um die Nostalgie geht: Früher habe ich Final Fantasy 7 geliebt, und jetzt liebe ich es, das Final Fantasy 7 Remake zu zocken. Dadurch fühle ich mich wieder jung. Und ich bin gerade 30 geworden, also brauche ich das. Das und jede Menge Whiskey. Man schwelgt in Erinnerungen und es ist eine rundum gute Zeit. Das Remake sieht großartig aus und nährt meine Nostalgie. Ist es so gut wie Final Fantasy 7 damals, als es veröffentlicht wurde? Nein. Zu der Zeit war Final Fantasy bahnbrechend. Ist das Remake aber besser und unterhaltsamer als das ursprüngliche Final Fantasy, wenn man die Spiele jetzt, in der heutigen Zeit objektiv vergleicht, ohne dabei Emotionen aus der Vergangenheit mit einzubeziehen? Ja, absolut. 100%. Das alte Spiel ist einfach zu... veraltet.
Viele Leute mögen allerdings keine Remakes. Sie sind verärgert, dass ihr ganz eigener, persönlicher, nostalgischer Schatz mit einem ganz neuen Publikum geteilt wird, das nicht einmal zu schätzen weiß, was das früher einmal bedeutete. Es ist nicht anders, als wenn man nicht möchte, dass der/die Ex ein Remake bekommt und zum heißen Ding wird, das für alle zugänglich ist.
Aber: Ein großer Mann (Matthew McConaughey) hat mir einmal (gestern Abend) beigebracht (ich habe mir eine 2-minütige Rede auf YouTube angeschaut), dass Dankbarkeit erwidert wird. Ich lebe nach diesen Worten. Seit gestern. So schreie ich nicht länger Hass und Verderben, wenn meine Lieblingsspielfirma ein Remake von etwas veröffentlicht, zu dem ich eine persönliche und geschätzte Beziehung habe. Nein, ich bin froh, dass meine Ex ein Remake bekommen hat, und ich wünsche ihr alles Gute bei den vielen Menschen, die sie jetzt erleben dürfen, und ich werde mich einfach an die Zeiten erinnern, die wir hatten, und ich werde nie vergessen, wie sie... Moment, wir haben gerade über Videospiele geredet...
Ich freue mich, dass mein Lieblingsspiel ein Facelift bekommen hat und nun von so vielen neuen Menschen erlebt wird. Ich erwidere meine Dankbarkeit. Oder so ähnlich.
“Aber hasst du es nicht auch, wenn Gaming Firmen versuchen, mit billigen Remakes Kohle zu kassieren und die Nostalgie der Leute ausnutzen, obwohl sie eigentlich nur hinter Ihrem Geld her sind?”
Nein. Selber Schuld.
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Die Menschen regen sich darüber auf, dass Unternehmen Profit machen wollen, aber jedes einzelne kapitalistische Etwas, das irgendein Marketing hat, zieht an Emotionen und Wünschen, um Geld zu bekommen. Warum darüber aufregen? Wie geht das weiter? Regt man sich dann über den Kellner mit dem Bizeps oder seine Kollegin mit dem Dekolleté auf? Eilmeldung: Wenn die lächeln, den Bizeps anspannen, sich vorbeugen und über eure Witze lachen, tun sie das, um an euer Geld zu kommen.
Remakes sind das Gleiche: Sie sind glänzend und poliert, damit sie attraktiv aussehen. Remakes spannen den Bizeps an und lassen ihr Dekolleté blitzen, und wir fallen darauf rein. Und das ist in Ordnung, weil wir uns daran erfreuen und Spaß haben. Weil wir Großartiges neu aufleben lassen, um es mit anderen zu teilen oder für uns selber nochmal zu erleben. Daran ist nichts Falsches. Wer nicht will, der muss ja nicht. Der muss es aber auch nicht für alle anderen schlecht reden, denn wie ein großer Mann einst sagte:
Danke, Matthew McConaughey.