Rassismus in Call of Duty und die Heuchelei von Activision

Call of duty drawing
Wir sollten Rassimus bekämpfen, aber wir sollten uns auch selbst an unsere Regeln halten. | © Activision

Activision geht derzeit mit riesigen Bann-Wellen gegen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und andere geschmacklose Verhaltensweisen vor. Oberflächlich betrachtet scheint die Entscheidung, mehr als 350.000 Call of Duty-Accounts zu sperren, sinnvoll – wir alle wollen eine freundliche, integrative und vielfältige Community fördern, richtig? Ja schon, aber das Problem greift deutlich tiefer...

Am 8. Mai hat Call of Duty Publisher Activision Jeff Leach entlassen – der Synchronsprecher von Ghost in Warzone. Der Grund? Beleidigung und [angeblich] sexistische Kommentare, die Leach auf Twitch geäußert haben soll. Leach hat sich zwar entschuldigt, seine Twitlonger-Entschuldigung sprach allerdings Bände und der Twitter-Mob war aufgebracht.

Ich bereue es, meine wahren Absichten falsch dargestellt zu haben und entschuldige mich bei den Personen und Geschäftspartnern, die ich durch diese Ausfälle möglicherweise negativ beeinflusst habe. Dazu gehören meine unglaublichen Unterstützer, die Moderatoren, die so unermüdlich daran gearbeitet haben, unsere kleine Online-Community zu schützen, und die Unternehmen, die mir Chancen und Vertrauen geschenkt haben und die ich enttäuscht habe.

Als Folge des Shitstorms auf Twitter, verlor Leach nicht nur seine Position, sondern wurde auch Opfer der gleichen Art von bösartiger Belästigung, die ihm selbst vorgeworfen worden war. Um eins klarzustellen: Ich sage nicht, dass – sollten die Vorwürfe wahr sein – Jeff Leach nicht dazu befragt werden sollte, ich sage auch nicht, dass wir nicht über diese Vorfälle sprechen sollten.

Was ich sagen will, ist: Diese ständigen Doppelstandards sind ermüdend – halte dich an das, was du von anderen erwartest, Activision!

Klar, Activision hat das Recht, Sexismus anzusprechen, sie haben auch das Recht, Rassismus zur Sprache zu bringen und jede Person zu bannen, die gegen ihre Nutzungsbedingungen verstößt. Das Problem ist eher, dass Activision in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich Videospiele veröffentlicht hat, die genau die Stereotypen und die Toxicity dargestellt und gefördert haben, gegen die sie jetzt vorgehen wollen. Ein typisches Beispiel:

Seit seinen Anfängen ist Call of Duty eine Franchise über die USA. Eine Franchise über die Feinde der USA. Eine Franchise darüber, wen die USA für unzivilisiert hält, wen sie retten muss und wer von der mächtigen US-Armee etwas über Demokratie lernen sollte – und das ist ok. Aber was bedeutet das in der Praxis?

Russen abknallen ist okay.

Stereotypische Vietnamesen mit Strohhüten abknallen ist okay.

"Araber" abknallen ist okay.

Deutsche Nazis abknallen ist okay.

All das ist ja eigentlich in Ordnung – es ist immerhin ein Videospiel, und noch dazu ein Shooter. Es muss auch nicht jedes Medium immer sozial bewusst sein oder eine tiefere Botschaft vermitteln. Es kann auch einfach mal nur um den Spaß gehen. Indiana Jones ist ein geiler Film, trotz seiner mittlerweile fragwürdigen Darstellung von Menschen aus dem Nahen Osten. Die meisten Hollywood-Action-Blockbuster stellen die ein oder andere Bevölkerungsgruppe als das absolut Böse dar – das ist [leider] einfach Standard.

Das war es seit dem 2. Weltkrieg und wird es wahrscheinlich immer sein. Zuerst die Deutschen und die Japaner, dann die Russen, die Vietnamesen, die Koreaner und jetzt die islamischen Völker des Nahen Ostens wie Iraner, Iraker und Afghanen. Alles, was wir konsumieren, sei es Kunst oder Unterhaltung, wird immer durch den politischen Kontext der Zeit beeinflusst und da die meisten Videospiele von amerikanischen (oder zumindest westlichen) Firmen entwickelt werden, sind die Stereotypen, die wir sehen nicht so überraschend.

Der Clip oben veranschaulicht genau, was ich meine – UND es ist einer meiner Lieblingsfilme. So sehr ich Harrison Ford auch liebe, so sehr ich diese Filme auch genieße, muss ich auch zugeben, dass die "Darstellung"... etwas fragwürdig ist.

Was ist also mein Punkt?

Activision sollte sich selbst auf die Finger schauen, wenn sie anfangen, Leute zu feuern oder zu sperren. Es ist lobenswert, dass sie gegen rassistische und sexistische Spieler vorgehen. Das müssen sie auch. Wenn Leach Frauen belästigt, wie behauptet wurde, dann müssen sie sich auch an ihre internen Richtlinien halten.

Was ich sagen will, ist, dass es etwas heuchlerisch ist, wenn eine Firma, die in ihren Spielen Rassimus vollkommen selbstverständlich nutzt, um Feindbilder zu schaffen, sich jetzt als Prediger der Inklusivität und Anti-Rassismus- und Anti-Sexismus-Kreuzritter aufspielt. Das ist mehr als scheinheilig und zeigt, dass das Unternehmen bei der internen Öffentlichkeitsarbeit deutlich weiter ist, als bei den Stories, die sie in ihren Spielen erzählen.

Es wäre vermutlich etwas anderes, wenn die besagten Call of Duty-Titel vor zehn bis zwanzig Jahren herausgekommen wären. Wenn sie in den letzten Jahren angefangen hätten, etwas sensibler mit Call of Duty umzugehen. Das Problem ist: Das haben sie nicht.

Das beste Beispiel ist die aktuelle Black Ops Cold War-Kampagne. Ich bin wirklich nicht zimperlich, aber als ich da saß und hunderte der absolut stereotypischsten und rassistischsten Darstellungen von Vietcong niederballern musste, habe ich mich tatsächlich öfters gefragt, in welchem Jahr wir uns gerade befinden. Ich habe mich immer wieder gefragt:

Wir haben doch 2021, oder?

Das könnt ihr besser, Activision, und ihr auch, Treyarch. Wir können das alle besser...

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Originaltext von Evan Williams.

Lukas Ballat

Lukas hat Lehramt für Englisch und Geschichte studiert, bringt euch jetzt aber alles zu Call of Duty und Gaming bei und kümmert sich auch um Partner-Projekte und Kampagnen. Neben Shootern spielt er vor allem Souls-Likes, scheut aber auch nicht vor Diablo-Grind zurück....