Vor rund sieben Jahren spielte sich das Action-Adventure The Last of Us von Naughty Dog in die Hall of Fame der Videospiele. Jetzt kehren die Protagonisten Ellie und Joel für den Nachfolger auf PlayStation 4 zurück. The Last of Us Part 2 gelingt dabei das Kunststück, den exzellenten Vorgänger in allen Belangen zu überflügeln. Eines der besten Games der aktuellen Generation, dass sogar das Medium der Videospiele weiterbringt. Warum das so ist, verraten wir in der The Last of Us Part 2 Review.
The Last of Us Part 2 bringt uns an unsere Grenzen und oftmals auch darüber hinaus. In der knapp 30-stündigen Spielzeit haben wir geweint, gelacht, gelitten und unser Handeln mehrfach in Frage gestellt. Am Ende der emotionalen Achterbahnfahrt sind wir uns sicher, hier eines der besten Spiele der aktuellen Generation abgeschlossen zu haben, das uns auch nach dem Abspann nicht loslässt.
Quick-Facts zu The Last of Us Part 2:
- Entwickler: Naughty Dog
- Publisher: Sony Interactive Entertainment
- Genre: Action-Adventure
- Spieler: 1
- Spielzeit: 25-30 Stunden
- Release: 19. Juni 2020
The Last of Us Part 2: Niemand ist bereit dafür
Niemand sei bereit dafür, was einen in The Last of Us Part 2 erwartet – hieß es zumindest im Vorfeld. Nachdem wir das postapokalyptische Abenteuer um Ellie und Joel beendet haben, können wir dem nur beipflichten. Naughty Dog hat hier sein absolutes Meisterstück erschaffen, das hinsichtlich der Dramaturgie, Story, Charaktere und Brutalität nicht nur den 2013 veröffentlichten Vorgänger, sondern auch einige der heißesten Games der letzten Jahre problemlos in den Schatten stellt.
HINWEIS: Wir verzichten in unserer The Last of Us 2 Review auf jegliche Spoiler zu Storyinhalten und werden die Schlüsselszenen nur vage anschneiden. Für den Test sind zudem nur von Sony ausgewählte Screenshots zugelassen.
Im Rahmen der rund 30-stündigen Handlung bringt uns The Last of Us 2 bis an unsere Grenzen und oftmals sogar noch weit darüber hinaus. Immer wieder müssen wir den Controller beiseitelegen, um uns eine kurze Verschnaufpause zu gönnen und das Geschehen auf dem Bildschirm auf uns wirken zu lassen.
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Das liegt vor allem daran, dass das Game keine Konflikte scheut und sich regelmäßig von dem entfernt, was der Mainstream von einem postapokalyptischen Action-Adventure erwarten würde. Ja, das war im legendären Intro des ersten Teils schon ganz ähnlich, als die Entwickler mit dem Tod von Joels Tochter Sarah einen Tabubruch begingen. Doch The Last of Us 2 geht noch mehrere Schritte weiter.
Ein neuer Anfang in The Last of Us 2
Doch zunächst zur grundlegenden Story: Teil 1 gipfelte in einer weitreichenden Lüge, die Protagonist Joel seiner 14-jährigen Begleiterin Ellie aufgetischt hatte. Immerhin wäre Ellie die letzte Hoffnung für die Menschheit gewesen und hätte die Cordyceps-Pilzinfektion eindämmen können.
In einem Krankenhaus in Salt Lake City hätte das junge Mädchen, das immun gegen den Pilz ist, untersucht werden sollen. Doch als Joel erfährt, dass die Untersuchung Ellie getötet hätte, rettet er sie vom OP-Tisch und stellt seine Vatergefühle über das Wohl der gesamten Menschheit. Gemeinsam fliehen die beiden zu Joels Bruder Tommy in eine sichere Zuflucht in Jacksonville, Wyoming. Genau dort beginnt die Handlung von The Last of Us 2. Die drei führen, mehrere Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers, abgeschottet ein beschauliches Leben.
Genau diese Ereignisse aus Teil 1 sind ein zentrales Element der packenden und wendungsreichen Story, in der das Spiel nahezu alle offenen Fragen seit den Geschehnissen vor sieben Jahren äußerst zufriedenstellend klärt.
Auf Patrouille mit ihrer Freundin Dina wird die vermeintliche Endzeit-Idylle aber direkt zu Beginn in ihren Grundfesten erschüttert. Gemeinsam machen sich die beiden Damen auf den Weg nach Seattle, um die Verantwortlichen zur Strecke zu bringen.
Was zunächst nach einem äußerst simplen Rachefeldzug klingt, entpuppt sich aber als vielschichtige Geschichte um Liebe, Hass, Hoffnung, Sehnsucht und die leidvolle Erfahrung, dass jegliches Handeln Konsequenzen nach sich zieht. Ein Geniestreich der Entwickler, denn in The Last of Us Part 2 verlaufen die Grenzen fließend: es gibt kein klares Feindbild, kein Richtig oder Falsch, kein Schwarz oder Weiß.
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The Last of Us 2: Ein Meisterwerk im Storytelling
Es ist schwer, die größten Stärken von The Last of Us 2 herauszustellen, denn die liegen überall. In der Grafik, der erstklassigen Vertonung oder den gelungenen Gameplay-Neuerungen. Die vielleicht größte Stärke liegt aber im schlicht meisterhaften Storytelling und den glaubhaftesten Charakteren, die wir seit Jahren in einem Videospiel erlebt haben.
Allen voran Ellie höchstselbst, die in The Last of Us Part 2 die Hauptrolle spielt. Aus der sorglosen, kindlich neugierigen Teenagerin wurde nach den prägenden Ereignissen im Winter des ersten Serienteils eine knallharte Überlebenskünstlerin.
Schauspielerin und Synchronsprecherin Ashley Johnson haucht der Hauptfigur aber derart gekonnt Leben ein, dass man sich in jeder Situation mit der jungen Frau identifizieren kann. In einem Moment ist Ellie still und nachdenklich, im nächsten Augenblick aber schon wieder emotional, aufgewühlt oder gar liebevoll.
Wie nahezu alle Charaktere im Spiel und auch wir als Spieler macht Ellie im Verlaufe der Handlung eine Entwicklung durch, während sie immer mehr über die Zusammenhänge zu verstehen beginnt, die Joel ihr vorenthalten hat. Nur eines bleibt dabei immer gleich: ihre Glaubhaftigkeit.
Beispielsweise, wenn ein intimer Moment mit Dina für eine kurze Idylle in einer Welt sorgt, in der alles und jeder uns töten will. Oder, wenn wir wieder einmal über einen miesen Witz von Joel lachen müssen.
Der gesamte Cast in The Last of Us Part 2 ist derart stark geschrieben und mit einer unglaublich detaillierten Mimik versehen, wie es bisher kaum einem Videospiel gelungen ist. Damit wachsen einem selbst vermeintlich unwichtige Nebenfiguren binnen kürzester Zeit ans Herz, bis uns das Spiel in etlichen klugen Plot-Twists knallhart in die Magengrube boxt und uns auf den Boden der postapokalyptischen Tatsachen zurückholt.
Am Ende kann man zusammenfassend sagen, dass The Last of Us 2 hinsichtlich des Storytellings als absolutes Meisterwerk in die Geschichtsbücher eingehen wird. Wir werden noch in Jahren darüber reden, wie das Spiel das Medium der Videospiele geformt und weiterentwickelt hat. Warum das so ist, wollen und dürfen wir an dieser Stelle allerdings nicht verraten. Ist vielleicht auch gut so, denn dieses Meisterwerk muss man selbst erlebt haben.
Nur so viel: Wie das Spiel verschiedene Themen und Beziehungen zwischen seinen Figuren angeht und aufzeigt, ist einzigartig. Und zwar, weil die Darstellung so realistisch ist, wie es sich bislang kein Videospiel getraut hat.
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Schonungslos brutal – das Gameplay von The Last of Us 2
Ähnlich brutal, wie uns klugen Tempo- oder Perspektivwechsel und gekonnten Plot-Twits immer wieder kalt erwischen, präsentiert sich auch das Gameplay von The Last of Us 2. Das beginnt bei den Kämpfen, die das Spiel derart schonungslos inszeniert, dass es uns oftmals flau in der Magengegend wird.
Allerdings ohne, dass TLoU 2 dabei je zu einer fiesen Splatter-Orgie verkommen würde. Die Brutalität des Spiels ist in den meisten Teilen nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt – wir verstehen Ellies Motive für ihr Vorgehen – und das ist beängstigend und verstörend.
Vor allem im intensiven Nahkampf wird das überdeutlich, wenn wir uns fieser menschlicher Feinde entledigen. Egal ob in den kämpfen gegen die klug agierenden menschlichen Widersacher oder die extrem fiesen Infizierten wie die bereits bekannten Clicker und Runner oder die neuen Arten wie Stalker und Shambler: Die Kämpfe in The Last of Us Part 2 haben es mächtig in sich.
Brutalität in Videospielen ist heutzutage nichts besonderes mehr. Wohl aber, wie The Last of Us 2 unsere Handlungen reflektiert. Beispielsweise haben unsere menschlichen Kontrahenten Namen, eine Familie, mitunter sogar Kinder – und das Spiel hält uns diese Informationen schonungslos vor Augen. Ganz subtil, indem andere Gegner ihre Namen rufen oder versteckt über Botschaften und Infos, die wir in der Spielwelt finden.
Nicht jeder Seraphiten-Anhänger oder WLF-Soldat ist grundsätzlich böse. Genau wie bei den Überlebenden aus Jacksonville und eben auch in der Realität gibt es Personen, die an ihre Ideale glauben, aber genauso auch Mitläufer oder Überlebende, die einfach nur Schutz gesucht haben. Und genau DAS intensiviert die ohnehin dichte Atmosphäre nochmals.
Dabei liegt es oftmals an uns, wie wir vorgehen wollen. Ob wir uns mit Schrotflinte oder Revolver im Anschlag den Gefahren stellen, sie leise schleichend ausschalten oder sie teilweise sogar komplett umgehen, die Entscheidung liegt ganz bei uns. Das gefällt, da hier ganz unterschiedliche Lösungswege möglich sind.
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Die Spielwelt samt neuen Freiheiten
Abseits der ganzen Schockmomente und Wendungen spielt sich The Last of Us Part 2 ganz ähnlich, wie sein Vorgänger. Crafting, Charakterentwicklung und grundlegende Steuerung kennen wir bereits aus dem ersten Teil. Und doch sind es etliche kleine und große Details, die für eine komplett neue Spielerfahrung sorgen.
Das fängt damit an, dass die junge Ellie sich (wenig überraschend) deutlich leichtfüßiger durch die zerstörte Welt bewegt als Joel. Wir klettern auf Vorsprünge, erklimmen ganze Häuser an Seilen, springen über Hindernisse oder schwingen an einem Seil zwischen Bauten hin und her.
Diese neuen Spielmechaniken sorgen nicht nur dafür, dass sich das Game realistischer anfühlt, es macht auch gleich viel mehr Spaß, weil sich TLoU 2 stark von den doch recht linearen Leveln des Erstlings unterscheidet.
Zumal der Titel das klassische Leveldesign mit etlichen Abkürzungen oder alternativen Wegen samt versteckter Geheimnisse würzt und immer wieder komplett aufdröselt, um uns in gänzlich offenen Arealen freie Hand zu lassen. Folgen wir strikt der Story oder durchsuchen wir jeden heruntergekommenen Laden, jedes Haus in Downtown Seattle?
Nahezu jeder Winkel der Spielwelt hält spannende Details für uns bereit. Sei es in Form von Crafting-Materialien für Medi-Kits oder Waffenupgrades, Ressourcen oder nützlichen Hintergrundinformationen.
Immer wieder wollen teils simple, teils komplexe Umgebungsrätsel gelöst werden, um voranzukommen. Ruhige Momente der Erkundung und intensive Action gehen hier perfekt Hand in Hand und sorgen für ein unglaublich intensives Gameplay. Spaß machen alle Elemente gleichermaßen. Kehrt Ruhe ein, sehnen wir schon die nächste Auseinandersetzung herbei. Gleichzeitig haben wir aber auch Angst. Angst davor, welche Nuancen unseres Charakters das nächste Gefecht zu Tage fördert.
The Last of Us 2: Eine Technik zum Niederknien
Charaktere, Story und Gameplay würden nur halb so gut funktionieren, wenn die Technik nicht stimmt. Glücklicherweise gibt es auch hier kaum etwas zu beanstanden. Mal abgesehen von ein paar kleineren Grafikfehlern und Klonfiguren sowie einiger weniger KI-Aussetzer unserer Begleiter, liefert das Game kaum Anlass zur Kritik.
Grafisch überzeugt The Last of Us 2 mit einer der atmosphärischsten und glaubhaftesten Endzeit-Visionen der Videospielgeschichte. Der Titel punktet mit einer detailverliebten und atemberaubenden Spielwelt. Immer wieder müssen wir innehalten, um die schneebedeckten Hänge Wyomings oder den dichten Nebel über Seattle zu bestaunen.
Auch die Licht- und Wettereffekte sind über jeden Zweifel erhaben. Was aber besonders im Gedächtnis bleibt, sind die butterweichen Animationen der Figuren, sowie die exzellente Mimik. Jedes Gefühl, jede Stimmung lässt sich an den Gesichtern ablesen. Und das gilt nicht nur für Ellie selbst. Das macht das Spielgefühl noch greifbarer.
Ähnlich verhält es sich auch mit der Vertonung. Die deutsche Synchronisation gehört zum Besten, was wir seit Jahren gehört haben. Der Soundtrack aus der Feder von Gustavo Santaolalla sorgt für Gänsehaut. Wenn Ellie dann noch ihre Gitarre herausholt, um einige weltbekannte Lieder darzubieten und ihr die Tränen in die Augen schießen, beginnt man zu verstehen, was hier eigentlich gerade vorgeht.
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Fazit:
Es ist jetzt schon ein paar Tage her, dass wir The Last of Us Part 2 durchgespielt habe. Doch noch immer gehen uns einige Momente und Schlüsselszenen nicht aus dem Kopf. Allein dieser Umstand sagt bereits einiges über das Meistwerk aus, das Entwickler Naughty Dog hier inszeniert hat.
Wir können uns jedenfalls nicht erinnern, wann wir in unserer Zeit mit Videospielen (teilweise seit fast 30 Jahren) zuletzt derart intensive Momente erlebt und mit derart vielschichtigen und glaubhaften Charakteren mitgefiebert hätten.
The Last of Us 2 ist eine der intensivsten Spielerfahrungen, die wir je gemacht haben.
Naughty Dog untermauert hier einmal mehr seinen Ruf als Vorzeige-Entwicklerstudio und beweist neben unglaublichem Mut eine noch nie dagewesene, reife Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen, die nahezu alle anderen Games scheuen.
The Last of Us 2 ist ein Meilenstein der Videospielgeschichte, über den wir noch in vielen Jahren sprechen werden. Chapeau, Naughty Dog.
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