Esports ist als Branche keineswegs unumstritten – zwischen Skandalen, Betrugsvorwürfen und Rechtsunsicherheiten gibt es viel zu diskutieren. Eines der bekanntesten und am besten dokumentierten Themen ist eines, das es schon so lange gibt, wie es Online-Games gibt: toxisches Verhalten.
Während die genaue Definition dessen, was Toxizität ausmacht, zur Debatte steht, ist eines klar: es war von Anfang an ein ständiges Proble im Gaming-Bereich. Toxisches Verhalten tritt in verschiedenen Formen auf: Rassismus, Sexismus, schlichte Boshaftigkeit und mehr. In extremen Fällen geht sie bis hin zu Morddrohungen und Doxing (internetbasierte Zusammentragen und anschließende Veröffentlichen personenbezogener Daten).
Beleidigungen, Diskriminierung, eine systematische Kultur des Missbrauchs und Cyberbullying sind allesamt Symptome von Toxizität – und sie kommen regelmäßig vor. In seltenen Fällen zeigen selbst Profispieler ein solches Verhalten. Glücklicherweise werden sie dafür dann fast immer bestraft.
Ein Mangel an Gleichheit
Toxische Verunglimpfungen richten sich meist gegen Minderheiten – in der Tat können Sportarten für farbige Menschen und Frauen oft ein geradezu feindseliges Umfeld sein. Im Esports fehlt es immer noch an Vielfalt und viele Spielerinnen und Spieler erleben auf ihrem Weg zum Profi toxisches Verhalten.
Ein Beispiel dafür wäre Xiaomeng "VKLiooon" Li, ein Spieler von Hearthstone. Sie gewann 2019 einen Großmeister-Wettbewerb und war die erste Frau, die je einen gewonnen hat – sowie die erste Frau, die bei der BlizzCon ein Finale gewann.
Sie setzte sich aktiv für Frauen im Esports ein:
"Ich möchte allen Mädchen da draußen sagen, die einen Traum für einen Wettbewerb im Esport haben: Wenn ihr es tun wollt und an euch selbst glaubt, solltet ihr einfach euer Geschlecht vergessen und es versuchen. Solange man gut spielen will, kann man das, egal welches Geschlecht man hat."
Sie gibt der Stimme der Frauen im Esports ein Gesicht. Natürlich kann sich absolut jeder mit diesem Verhalten konfrontiert sehen – und es wird oft als selbstverständlich entschuldigt.
Erleichtert durch Anonymität
Einer der größten Faktoren, der die Toxizität erleichtert, ist die Anonymität im Internet. Die Opfer können nicht zurückschlagen, haben keine einfachen Möglichkeiten, sich zu wehren oder das Verhalten gar zu stoppen. Selbst wenn sie es können, kann der Täter einfach zum nächsten Opfer übergehen, ohne dass es Auswirkungen hat.
Es ist leicht, andere Akteure nicht als Menschen zu sehen, sondern nur als namenlose, gesichtslose Wesen, die um den toxischen Akteur herum existieren. Und ohne Furcht und ohne Angst vor Strafe zu haben können sie ihre Frustration an anderen auslassen, indem sie ihr Opfer verbal angreifen oder sogar bedrohen. Die Toxizität, die im Esport vorherrscht, wird sogar oft als ein Faktor in der Debatte angeführt, ob Videospiele Gewalt fördern oder nicht.
Skandale und Strafen
Es ist zwar schwierig zu beurteilen, wie häufig toxisches Verhalten bei Gelegenheitsspielern auftritt, aber auf Profi- oder zumindest Streamer-Niveau ist es leichter zu erkennen. Es gab mehrere Vorfälle von Streamern, die abfällige Beleidigungen verwendeten und glücklicherweise werden sie oft mit einem Verbot bestraft.
Auch Profispieler erleben diese Verhaltensweisen oft, wenn sie spielen – Sasha "Scarlett" Hostyn, eine StarCraft 2-Spielerin und Transgender-Frau, erfährt regelmäßig solche Verhaltensweisen, wenn sie streamt. Aber Profispieler sind in diesen Szenarien nicht immer die Opfer.
Der schottische Rainbow Six Siege-Spieler Jack 'Doki' Robertson zum Beispiel wurde sowohl von Ubisoft als auch von ESL wegen "schwerer Toxizität" gesperrt. Er zeigte Reue und entschuldigte sich, aber nicht jeder tut das.
In case you weren't aware I was banned for toxic behaviour. I'm at fault for past cases of toxic offences.People that know me or follow my stream will know that I'm not a bad person at heart. I can get emotional at times but there's never any malicious intent behind my words.
— Doki (@Doki_R6) October 11, 2019
In einem Skandal im Jahr 2018 wurden einige hochrangige Spieler von Fallout 76 wegen homophober Angriffe im Spiel gesperrt. Es dauerte aufgrund des Mangels an Meldeinstrumenten eine geraume Zeit, bis das Opfer seine Angreifer bestraft sah – der Täter zeigte keinerlei Reue. Tatsächlich lud er ein Video mit dem Titel "Säuberung der Schwulen" hoch, in dem er den Charakter des Opfers verbal angriff:
"Es war nur eine lange Nacht, in der wir Spaß hatten. Und nach der ersten Begegnung (die auf meinem Kanal zu sehen war) hatten wir das Gefühl, dass es Spaß machen würde, sie irgendwie zu beleidigen. Man kann das böse nennen, aber ich glaube, es ist nur spielerische Unreife. Ich bereue den Vorfall nicht. Ich werde mich nicht entschuldigen, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Ich habe nicht vor, so etwas in der Zukunft zu tun, aber um fair zu sein, habe ich den ursprünglichen Vorfall nicht geplant, ich habe es einfach überlegt und mich entschieden, es durchzuziehen."
So @bethesda, how do we report people in @Fallout? @ChipWhitehouse @Handsandhead and I literally had our characters hunted down and killed by homophobic players. I'll post more of the video in a thread. Strong language warning. pic.twitter.com/gN1rsRFz1h
— AJpls (@AJpls_) November 16, 2018
Maßnahmen gegen toxisches Verhalten
Glücklicherweise ist es kein hoffnungsloser Fall – es gibt Menschen und Organisationen, die aktiv gegen die Toxizität kämpfen und es hilft. Spieleherausgeber wie Blizzard zum Beispiel stellen umfangreiche Tools für die Berichterstattung zur Verfügung und haben nach dem Start von Overwatch sogar ein Reputationssystem eingeführt, um es den Spielern leichter zu machen, toxischen Personen auszuweichen.
Bethesda ist dies in Fallout 76 nicht gelungen, aber viele Multiplayer-Spiele bieten bereits angemessene Instrumente zur Bekämpfung von Toxizität. Tatsächlich setzen die meisten großen Spieleverlage alles daran, es den Spielern zu ermöglichen, toxische Spieler zu melden und zu meiden.
Sogar außerhalb davon gibt es Aktivisten und Organisationen, die darauf aufmerksam machen, dass die Toxizität weiterhin ein Problem darstellt. Ein Beispiel dafür ist UNICEF – die Organisation ist eine Partnerschaft mit FNATIC eingegangen, um auf das Problem der Toxizität im Sport aufmerksam zu machen.
Im Rahmen der Partnerschaft veranstalteten die beiden Organisationen Spendenaktionen, richteten einen Hashtag auf Twitter ein und hielten spezielle Streams ab, um das Bewusstsein zu schärfen. Das Problem der Toxizität wird auch aktiv von Forschern auf der ganzen Welt untersucht – die Gaming-Community arbeitet aktiv mit anderen Elementen in der Welt des Sports zusammen, um eine dauerhaftere und wirksamere Lösung für das Problem zu finden, als die Geschehnisse im Sport einfach zu ignorieren.
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