Die ESL One: Road to Rio verlief in den letzten Wochen ohne nennenswerte Zwischenfälle. Bis auf eine Sache: Spieler sind Teilhaber von anderen Teams, gegen die sie antreten. Herrscht hier nicht ein kleiner Interessenkonflikt oder schlimmeres?
Was viele vielleicht nicht wissen, all das war vor Beginn des Turniers bei weitem nicht garantiert. Valve musste sich um potenzielle Probleme kümmern: um einen potenziellen Dealbreaker namens Interessenkonflikt.
Die "Made in Brazil – Yeah"-Situation
Im Vorfeld der ESL One: Road to Rio waren alle teilnehmenden Teams verpflichtet, Valve ein Offenlegungsdokument über alle potenziellen Interessenkonflikte zu schicken. Für diejenigen, die mit diesem Begriff nicht vertraut sind: das bedeutet im Klartext, dass eine Person gleichzeitig von zwei oder mehr Organisationen profitieren kann, deren Interessen nicht notwendigerweise übereinstimmen oder direkt gegeneinander gerichtet sind – eine Position, die die Entscheidungsfindung dieser Person beeinträchtigen könnte.
In unserem Fall setzten sich die Teilhaber von Yeah Gaming aus einigen früheren oder aktuellen Vertretern von Made in Brazil zusammen – einem direkten Gegner in der Gruppenphase der ESL One: Road to Rio. Epitacio "TACO" de Melo und Ricardo "dead" Sinigaglia sind derzeitige Mibr-Spieler bzw. Trainer. Dazu kommt, dass der ehemalige Mibr-Spieler Marcelo "coldzera" David und der ehemalige Mibr-Trainer Wilton "zews" Prado haben alle Anteile an Yeah Gaming. Da musste Valve erst mal innehalten...
Yeah und Made in Brazil würden mit Sicherheit gegeneinander spielen, da sie in die gleiche Gruppe gelost wurden und das warf die Frage auf: Gibt es einen Interessenkonflikt? Um die Spannung aus dem Weg zu räumen, sagte Valve nein und ließ das Spiel wie geplant zu. Mibr gewann 2:0 und das war's. Wir wollen die Dinge aber etwas weiter fassen. War es richtig, dass Valve hier keinen Interessenkonflikt sah? Und wann wird aus einem Interessenkonflikt wirklich ein Konflikt?
Der schmale Grat
Die Entscheidung von Valve könnte sich als viel wichtiger erweisen, als wir ursprünglich dachten. Mit der ESL One: Road to Rio im vollen Gange, wurde all dies viel zu schnell abgetan. In der Realität könnte sich die Szene dadurch erheblich verändern.
Vor ein paar Jahren führte Valve eine neue Regel ein, die die Teilhabe an mehreren Teams verbot. Eine Regel, die einige Unternehmen zum Verkauf zwang und den Untergang der Akademie-Teams bedeutete. Natürlich brechen TACO, Dead, Coldzera und Zews diese Regel nicht, weil sie kein anderes Team besitzen, aber unterscheidet sich ihr Fall wirklich so sehr von dem eines normalen Investors, der zufällig an einem anderen Team beteiligt ist? Ein Trainer oder ein Spieler kann einen direkten Einfluss auf den Ausgang eines Spiels haben, inwiefern ist das also besser?
Auf der anderen Seite sagten alle Beteiligten immer wieder, dass keiner aus dem Quartett ein Mitspracherecht bei der täglichen Entscheidungsfindung von Yeah hätte und sie ausschließlich passive Investoren seien. Das Spiel zwischen den Mannschaften wurde von mibr gewonnen, was sich als das erwartete Ergebnis erwies, da Yeah alle folgenden Spiele verlor und man kann mit Fug und Recht sagen, dass dies keine Fragen über deren Aufrichtigkeit aufkommen ließ. Hätten mibr und Yeah für etwas bestraft werden sollen, das keine Auswirkungen auf das Turnier hatte? Wäre das fair gewesen?
Wer eine klare Antwort auf alle Fragen in den letzten beiden Absätzen hat, herzlichen Glückwunsch. Wenn nicht, sitzen wir im selben Boot. Wie definieren wir, wo die Grenze zwischen folgenlosem Zufall und potenziellem Missbrauch zu ziehen ist?
Die Lösung des Konflikts
Am einfachsten wäre es natürlich, jede Art von Investitionen zu verbieten, die zu einem direkten Interessenkonflikt führen könnten, d.h. alle Investitionen zu beschränken, die von innerhalb der Szene kommen, zusätzlich zu der bereits bestehenden Regel der Mehrfachteilhaberschaft. Das würde aber zu weiteren Problemen führen.
Wir sind eigentlich auch nicht dafür, dass Spieler, Trainer und andere Beschäftigte im Esports-Bereich daran gehindert werden, ihr hart verdientes Geld dort zu investieren, wo sie es wünschen. Das geht uns einen Schritt zu weit. Viele dieser Leute sind buchstäblich in der Szene aufgewachsen, weshalb es nur verständlich ist, dass sie auch in Zukunft auf die ein oder andere Weise in der Esports-Szene bleiben wollen – unter anderem eben als Teilhaber an Teams.
Wenn Christopher "GeT_RiGhT" Alesund gegen NiP spielt, wo er Teilhaber ist, ist das ein Interessenkonflikt? Das ist dasselbe, was TACO im Yeah-Spiel gemacht hat. Außer, dass es niemand erwähnt hat, weil es keine Rolle spielt und das auch nicht sollte. Wir kennen GeT_RiGhT, wir kennen TACO, wir wissen, wie sie drauf sind.
Also nein, nicht alle Interessenkonflikte sind gleich und Valve hat das Richtige getan, indem sie TACO, zews, mibr oder Yeah nicht bestraft haben. Die Untersuchung solcher Angelegenheiten sollte jedoch obligatorisch sein, da nicht jeder ein TACO oder ein GeT_RiGhT ist. Der Grat ist in der Tat schmal und Valve muss darauf achten, dass ihn niemand übertritt.
Ob wir uns darauf verlassen können, dass ausgerechnet Valve hier Arbeit investiert, ist fraglich. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf. Wie dem auch sei, in diesem einen Fall hat Valve richtig gehandelt und so verhindert, dass aus einem potentiellen Interessenkonflikt ein tatsächlicher Konflikt wird.
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