Persona 5 Tactica Test (PC) | Gut, aber keine Revolution

Das neueste Persona 5-Spinoff will klassische Persona 5-Gameplayelemente mit einem neuen Strategiespielformat kombinieren. Das Ergebnis ist überraschend gelungen, erreicht aber nicht sein volles Potenzial.

Persona 5 Tactica Test PC
Persona 5 Tactica: Viva la revolución. | © Atlus / EarlyGame

Ah, Persona 5, das Spiel, das nie wirklich endet. Die Entwickler, Atlus, waren anscheinend der Meinung, dass selbst die 100+ Stunden des Hauptspiels immer noch nicht genug waren, um die Phantomdiebe wirklich kennenzulernen und bringen seither immer wieder neue Spinoffs in verschiedensten Genres heraus, von Rhythmusspiel zu Musou-like. Es wäre nicht übertrieben, zu sagen, dass Persona 5 inzwischen fast schon ein eigenes Franchise ist.

Der neueste Ableger in diesem Franchise, Persona 5 Tactica , versucht, die Storythemen und Gameplayelemente vom Hauptspiel in einem Strategiespielformat neu zu interpretieren. Und hat dabei erstaunlich viel Erfolg, obwohl die Umsetzung an einigen Stellen zu Wünschen übrig lässt.

📌Quick FactsPersona 5 Tactica
Erscheinungsdatum:17. November 2023
Plattformen:PC, Steam, PS4/PS5, Nintendo Switch
Entwickler:Atlus
Genre:Strategie-Rollenspiel
Preise:59.99€ / $59.99 / £54.99

Spiellänge:

~30 Stunden

Auf einen Blick

  • Tacticas story ist eine interessant präsentierte Charakterstudie
  • ...die nur gut ankommt, wenn man den studierten Charakter auch sympathisch findet.
  • Der Plot ist generell unterhaltsam, aber zu vorhersehbar.
  • Das Strategie-Gameplay wirkt zuerst simpel, hat aber überraschend viel Tiefe.
  • Triple Threat ist ein extrem nützlicher und vor allem spaßiger Move.
  • Die Rätsel-Sidequests sind eine nette Abwechslung.
  • Neue Gegner und Levelelemente werden selten und spät eingeführt.
  • Die Schwierigkeitskurve ist ziemlich flach.
  • Charakterloadouts können nur begrenzt angepasst werden.
  • Persona-Fusion ist etwas frustrierend.

Cartooniger denn je

Persona 5 tactica 3d
Der neue Grafikstil ist definitiv Geschmackssache. | © Atlus / EarlyGame

Als der erste Trailer zu Tactica veröffentlicht wurde, ist vielen direkt der neue Grafikstil aufgefallen. Die cartoonigen Figuren wirken wie ein Mittelschritt zwischen dem eher konventionellem Anime-Stil von Persona 5 und den Chibi-Charakteren von Persona Q, und sie sind definitiv gewöhnungsbedürftig. Besonders die 3D-Modelle sehen etwas skurril aus und können in Cutscenes negativ auffallen.

Aber 3D-Cutscenes sind eher die Ausnahme; Die Story wird größtenteils durch Visual Novel-ähnliche Szenen mit 2D-Sprites und CG-Hintergründen erzählt. Und ich muss zugeben, dass der Grafikstil in 2D deutlich besser aussieht! Komplett 3D-animierte Szenen wie in Persona 5 wären natürlich toll gewesen, aber die Story kommt auch so gut herüber, also bin ich mit diesem Kompromiss zufrieden.

Weniger zufrieden bin ich mit dem Soundtrack, zumindest im Vergleich mit anderen P5-Spielen. Die Musik in Tactica ist okay, aber ich könnte keinen Track nennen, der mich wirklich umgehauen hat, selbst unter den Tracks mit Lyrics, was wirklich schade ist; Persona-Musik ist normalerweise ein echtes Highlight.

Frühstück bei Leblanc's

Persona 5 tactica marie
Die Herrscherin des ersten Reiches, Marie, begeht das schlimmste Verbrechen von allen: Stylediebstahl. | © Atlus / EarlyGame

Tacticas Handlung spielt irgendwann zwischen Persona 5 (Royal, wenn man so pedantisch sein will) und Strikers. Joker und seine Freunde hängen im Café Leblanc ab und sind damit beschäftigt, Ferienpläne zu schmieden, als sie plötzlich in eine komplett neue Paralleldimension transportiert werden, in der die Bewohner verschiedener Reiche von brutalen Tyrannen und ihren Legionären unterdrückt werden.

Und natürlich können Joker & Co. das nicht einfach so hinnehmen! Also schließen sie sich der Rebellion an, die von der heißblütigen Unruhestifterin Erina angeführt wird, retten einen Politiker mit Gedäctnisverlust namens Toshiro und machen es sich zur Mission, die Reiche von ihren Unterdrückern zu befreien.

Wenn du dir Sorgen gemacht hast, dass Joker und seine Freunde in Tactica die Persona Q-Behandlung kriegen, kann ich hier Entwarnung geben: Die Phantomdiebe in diesem Spiel sind genau dieselbe charmante und lebhafte Bande, von der wir uns am Ende von Persona 5 verabschiedet haben. Allerdings rücken sie in diesem Spiel etwas aus dem Rampenlicht, um Platz für die zwei Neuankömmlinge zu machen: Erina und Toshiro.

Das Leben eines Jedermanns

Persona 5 tactica toshiro
Toshiro hat es in diesem Spiel nicht leicht. | © Atlus / EarlyGame

Tatsächlich sind Toshiro und seine düstere Vergangenheit zentral in Tacticas Handlung. Ob sie dir gefallen wird, hängt also größtenteils davon ab, wie viel Interesse du an einer kreativ inszenierten Characterstudie eines jungen japanischen Politikers hast. Hört sich spannend an? Dann wird dich der Plot in diesem Spiel bestimmt fesseln. Nicht wirklich interessiert? Dann wird er eine echte Geduldsprobe für dich sein.

Allerdings war die Handlung generell etwas zu formelhaft und vorhersehbar für meinen Geschmack. Wenn du schon einmal ein Persona-Spiel gespielt hast (und ich hoffe mal, dass du das hast, wenn du ein Spinoff im Auge hast), wirst du den groben Verlauf der Story und seine Twists weit im Voraus erraten können. Es gab sogar einige Cutscenes im Spiel, wo ich mir dachte, dass sie bitte schneller zum Punkt kommen sollten, damit ich mich wieder dem spannenderen Teil widmen kann: Dem Gameplay.

Die Cover-Story

Persona 5 tactica combat
P5T's Gameplay wirkt zuerst ziemlich simpel. | © Atlus / EarlyGame

Also, ist die Verpflanzung von Persona 5 Gameplayelementen in das Strategie-Genre gut gelungen? Ja, aber nein. In einer Schiff-des-Theseus-Weise, vielleicht? Es ist kompliziert.

Das Gameplay von P5T ist in verschiedene Missionen aufgeteilt, in denen du 3 Charaktere (oder Einheiten, strategisch betrachtet) in ein Schlachtfeld im Rasterformat sendest. Dort müssen sie verschiedenste Aufgaben erfüllen, um die Mission zu beenden, wie zum Beispiel "Besiege alle Gegner", "Erreiche das Zielfeld" oder "Überlebe für x Runden". Also alles wie üblich in Strategiespielen.

Während deines Zuges kannst du jede deiner Einheiten direkt kontrollieren und innerhalb ihrer individuellen Bewegungsreichweite manövrieren. Sobald du jede Einheit dorthin bewegt hast, wo du sie haben willst und mit ihr eine Aktion ausgeführt hast, kriegen die Gegner jeweils auch einen Zug.

Tactica hat auch ein relativ simples Deckungssystem: Wenn eine Einheit neben einer Wand oder einem Hindernis steht, nimmt sie daran Deckung und nimmt weniger Schaden, egal, woher ein Angriff kommt, oder sogar überhaupt keinen Schaden, wenn der Angreifer keine Sichtlinie zum Ziel hat. Xcom-ähnliche Trefferchancen gibt es auch nicht; Wenn ein Angriff treffen kann, dann wird er auch treffen.

Bermuda-Strategie

Persona 5 tactica triple threat
Die tödlichste Waffe von allen: Ein großes Dreieck. | © Atlus / EarlyGame

Hört sich bisher ziemlich simpel an, oder? Aber ähnlich wie in Persona 5 wird das Kampfsystem interessanter, sobald das "Noch 1"-System ins Spiel kommt! Allerdings funktioniert es in Tactica etwas anders.

Vor allem, weil Element-Schwächen überhaupt nicht mehr existieren! In diesem Spiel kriegen deine Einheiten stattdessen einen Bonuszug, wenn sie einen Gegner angreifen, der nicht in Deckung ist und ihn damit zu Boden bringen. Außerdem kriegen sie dabei eine Gelegenheit, "Triple Threat" zu aktivieren. "Triple Threat" ersetzt All-Out Attacks im Repertoire der Phantomdiebe und fügt allen Gegnern im dreieckigen Bereich zwischen deinen Einheiten gewaltigen Schaden zu.

Mit der Abschaffung von Elementschwächen brauchten Magie-Skills einen neuen raison d'être und bekamen ihn in der Form von Statuseffekten. Skills fügen nun bei jedem Treffer garantiert Statuseffekte hinzu, die verschiedenste Effekte haben können, wie zum Beispiel Bewegungsreichweite klauen, Gegner einfrieren oder sie wegschleudern. Viel interessanter ist aber, dass man Gegner mit einem Statuseffekt durch einen Angriff direkt zu Boden bringen kann, selbst wenn sie in Deckung sind!

Thanatos-Blitzschach

Persona 5 tactica puzzle
Kannst du die optimale Route durch dieses Schlachtfeld finden? | © Atlus / EarlyGame

Das alles führt zu einem Kampfsystem, das oft eher wie ein Rätselspiel als ein Strategiespiel wirkt, und die Lösung ist immer ähnlich: Bringe einen Gegner mit einer Skill-Combo zu Boden, strecke dein Todesdreieck so weit wie möglich aus und radiere alle Gegner aus, die darin gefangen sind. Und diese Routine macht tatsächlich ziemlich viel Spaß! Die halbe Karte mit einem einzigen Knopfdruck zu verwüsten, wird nie wirklich alt.

Tactica hat auch optionale Sidequests, die tatsächlich auch wie Rätsel strukturiert sind, indem sie dir eine extrem begrenzte Anzahl von Zügen geben, innerhalb derer du eine Mission "lösen" musst. Die ersten Sidequests dieser Art dienen dazu, dir die fundamentalen Regeln des "Noch 1"-Systems einzutrichtern, wodurch dir deine "Triple Threat"-Dreiecke im Hauptspiel noch leichter gelingen. Später im Spiel stellen die Sidequests hingegen dein gesammeltes Wissen mit Rätseln auf die Probe, die dich wirklich ins Grübeln bringen können.

Aber obwohl das Kampfsystem an sich relativ spaßig ist, braucht es trotzdem etwas Abwechslung in der Form von neuen Gegnervarianten und Levelelementen, um nicht auf Dauer langweilig zu werden, und hier gerät Tactica ins Stolpern: In den ersten 10 Stunden des Spiels wirst du immer und immer wieder dieselben Gegner auf ähnlichem Terrain bekämpfen. Und obwohl spätere Missionen etwas kreativer ausgestattet sind, sind sie immer noch nicht abwechslungsreich genug, um die 30 Stunden Spielzeit durchgehend interessant zu halten.

Wer auf eine wirkliche Herausforderung in Tactica gehofft hat wird auch enttäuscht sein: selbst auf der höchsten Schwierigkeitsstufe hatte ich selten das Gefühl, dass die Gegnerfraktion eine ernstzunehmende Bedrohung ist, die ich ausmanövrieren muss. Stattdessen sind Gegner in P5T eher wie Dame-Chips, die deinen Einheiten ab und zu einen Bruchteil ihrer HP abschießen, bevor du sie umdrehst.

Weniger Stoff, mehr Stahl

Persona 5 tactica velvet room
Der Velvet Room hat in diesem Spiel ein ziemliches Makeover bekommen. | © Atlus / EarlyGame

Zwischen jeder Mission hast du die Gelegenheit, ein paar Vorbereitungen zu machen, welche hauptsächlich aus zwei Aktivitäten bestehen: Charaktere durch Skill-Trees verbessern und im neu renovierten Velvet Room neue Personas schmieden.

Ähnlich wie in Persona Q hat jeder Charakter in Tactica zwei Personas: eine Main-Persona, die immer ausgerüstet ist und eine Sub-Persona, die nach Belieben ausgewechselt werden kann. Main-Personas können im neuen Skill-Tree des jeweiligen Charakters mit Skillpunkten verbessert werden, die man nach jeder Mission erntet, wodurch sie neue aktive und passive Skills erhalten.

Die Sub-Personas in Tactica sind wesentlich simpler als in Persona Q. Jede Sub-Persona gibt dem Charakter, der sie ausgerüstet hat, einen enormen Stat-Boost und Zugriff auf bis zu zwei weitere Skills, einen der Sub-Persona eigenen und einen, den sie durch Persona-Fusion erhalten hat. Mit nur zwei Skill-Slots hat man wesentlich weniger Charakteranpassungsfreiheit als in anderen Persona-Spielen und muss bei Fusionen viel wählerischer sein als üblich.

Besonders, weil Personas und Geld in Tactica im Vergleich zu Persona 5 eher Mangelware sind. Zwar belohnt das Spiel erfolgreiche Missionen mit ein paar Personas und ein wenig Geld, aber bei weitem nicht genug, um die bestmögliche Ausrüstung für deine Charaktere in einem angemessenen Zeitraum zu kriegen. Zumindest nicht, wenn man jede Mission nur einmal spielt.

Ich bin zwar problemlos durch das Spiel gekommen, ohne Missionen wiederholen zu müssen, aber ständig das Gefühl zu haben, dass man nicht so gut vorbereitet ist wie möglich, ist auf Dauer trotzdem frustrierend. Besonders, wenn eine Fusion fehlschlägt und sich zwei wertvolle Personas in eine nutzlose verwandeln, was in Tactica wesentlich öfter passiert. Außerdem sind die Verbesserungen am Velvet Room-Interface, die in Strikers eingeführt wurden, in diesem Spiel abwesend, was das ganze System noch nerviger macht.

Fazit

Persona 5 tactica thoughts
Videogames are a series of interesting choices. | © Atlus / EarlyGame

Insgesamt ist Persona 5 Tactica ein unterhaltsames P5 Strategie-Spinoff , das aber im Vergleich mit seinen Franchise-Geschwistern eher schlechter abschneidet. Das Gameplay enthält eine Menge interessanter und spaßiger Ideen, wird aber durch eine eher flache Schwierigkeitskurve und wenig Abwechslung zurückgehalten. Und die Story ist zwar relativ unterhaltsam, kann aber haum überraschen.

Ich weiß, dass sich das alles ziemlich negativ anhört, aber ich hatte trotzdem eine Menge Spaß mit Tactica! Wenn du also Strategiespiele magst und noch etwas mehr Zeit mit den Phantomdieben verbringen willst, kann ich dieses Spiel empfehlen. Wenn dir einer dieser Aspekte aber nicht zusagt, wirst du hier nicht viel verpassen.

Wertung: 79/100

Hinweis: Persona 5 Tactica wurde auf PC mit einem uns von Atlus gestelltem Review-Code getestet.

Leonhard Kuehnel

Hi, ich bin der Leo! Ich verwende gerne meine Englisch-, Deutsch- und Übersetzungskenntnisse, um bei EarlyGame über die interessantesten Gaming-News in beiden Sprachen zu berichten und arbeite in meiner Freizeit an meinem nur immer größer werdenden Backlog....